Der Weg beginnt mit dem ersten Schritt - Ursache finden - Heilung fördern - Ganzheitlich

Dr. med. Stefan Porzsolt 

Wesen und Funktionsweise der Manuellen Integrationstherapie:

Diese Informationen richten sich vor allem an Fachkollegen/innen und Therapeuten

Die Manuelle Integration ist eine Kombination verschiedenster Methoden und Techniken der Manuellen Medizin.                     Allgemeinmedizinische Erfahrung bildet die Basis für die Verknüpfung von Schul- und Komplementärmedizin.

Methoden und Schulen, welche sich mit den Ursachen-Folgen-Ketten beschäftigen finden sich in dem Begriff der MINT. Der Begriff Manuelle Integration wurde von mir geprägt aufgrund meiner Erfahrungen aus Fortbildungen auf dem Gebiet nachfolgender manualtherapeutischer Methoden: 

Chirotherapie (DGMM), Akupunktur (Forschungsgruppe Akupunktur), Osteopathie (E.A.O. European Assoc. of Osteopathy), Osteopraktik (Dr. med. Bauermeister, München), Integrative Manual Therapy (Sharon Weiselfish-Giammateo, Hartford/Conn.), Biovalent System Manual Therapy (Frank Lowen, Albuquerque/NM, USA), Progressive Muskelrelaxation n. Jacobson, katathymes Bilderleben, PNF (propriozeptive neuromuskuläre fazilitation), NFP(neurofascial process).

Manuelle Integrationstherapie ist die individuelle Anwendung und Kombination dieser Methoden bezogen auf das Problem des Patienten, mit dem Ziel, funktionsgestörte Strukturen zu behandeln und in die Gesamtfunktion des Körpers zu integrieren.

Die Applikation mit den Händen erfolgt dabei mit unterschiedlicher Intensität und mit unterschiedlicher Einwirkungsdauer.

Je nach Applikation werden entsprechende "Reize" auf Gewebe, Strukturen (Gelenke, Knochen, Muskeln) und neuronale Verknüpfungen gesetzt. Die Wirkung kann also einerseits vorwiegend mechanisch sein, oder aber über die Kontaktnahme und Veränderung des vorgefundenen Status zu einem neuronalen Impuls mit den entsprechenden Verschaltungen führen.

Denkmodell

Ziel ist, das Problem des Patienten möglichst in seiner Ganzheit zu erfassen. Das heißt: Die neuronale Verschaltung zwischen dem erlebtem Phänomen (z.B. Schmerz) und den dazu führenden Verkettungen zu verstehen. Die Verschaltung im Gehirn, sprich kortikal/subkortikal, die Verarbeitung, Filterung bzw. Inhibition über das limbische System und und die daraus resultierenden Signale an die Peripherie zu verstehen und zu interpretieren geschieht wärend der Behandlung.

Wie funktioniert dies: Grundsätzlich baut der Körper dort Spannung auf, wo er Schutz benötigt. Diese Spannung kann nun auf eine Lokalisation bezogen sein, meist liegen also sog. synergic patterns (synergistische Muster) als komplexes Spannungsbild vor. Dies hat unter anderem auch mit der Innervation verschiedener z.B. Muskeln durch einen bestimmten Nerv zu tun. Auch gibt es entwicklungsgeschichtlich sinnvolle Verknüpfungen von gleichzeitig auftretenden Reaktionen des Körpers, was wir allgemein kennen wenn wir von einem Syndrom sprechen.

Der Körper beginnt von Geburt an (resp. in utero...), sich auf die individuellen "Belastungen" einzustellen und zu reagieren. Man verwendet hierfür den Begriff "Kompensation". Die Summe der gesunden körperlichen Funktionen bietet sozusagen einen Schutzschild der Kompensationsfähigkeit auf tägliche Belastungen sowohl physisch als auch psychisch oder physiopsychisch oder psychosomatisch. Es ist meist nicht zu trennen, weil die Reaktion des Körpers "ganzheitlich" erfolgt. Für unser Denksystem benötigen wir häufig die klare Trennung zwischen körperlichem System und psychischem System. 

 Die Speicherung der Information als Lernprozess für den Körper verläuft unterschiedlich. Ein mechanisches Ereignis wird vorwiegend als solches im Gedächtnis des Körpers gespeichert werden, ein vorwiegend psychisches Ereignis eben mehr in den für die Psyche relevanten Strukturen. Dabei zeigt sich erfahrungsgemäß, daß immer ein Korrelat zum anderen Anteil (also psychisch-physisch oder physisch-psychisch) besteht. Ich meine, daß diese beiden Ebenen nur als Konstrukt dienen, um eine gewisse Überschaubarkeit zu erhalten. Wahrscheinlich sind psychische und physische Aspekte nicht voneinander zu trennen. Hierin liegt eine der ganzheitlich wirksamen Elemente der Manuellen Integrationstherapie, daß nämlich durch die Art der Vorgehensweise ein Problem in seiner Gesamtheit angesprochen wird.

Dekompensation bedeutet nichts anderes, als daß der Körper seine Grenzen der Kompensationsfähigkeit erreicht hat und die betroffene Struktur funktions-unfähig desintegriert ist, also im Zusammenhang der Gesamtfunktion nicht mehr zur Verfügung steht, was einer Entgleisung gleichkommt. Die Folgen: Funktionsverlust, Bedrohung anderer, noch intakter Funktionen, starke Schutzreaktion mit Neuprogrammierung der Stellsysteme (Hirnstamm), Fixierung der läsionsbedingten Schutzspannung und der physiologischen Stellwerte als "normal". Somit ist diese neue sog. physiologische / biochemische Situation für den Betroffenen nicht mehr als pathologisch wahrnehmbar. Adaptation hat stattgefunden. Die Dysfunktion ist nicht wahrnehmbar, außer der Körper wird durch neue Belastungen an die Grenzen seiner adaptierten neuen Kompensationsfähigkeit (-unfähigkeit) herangeführt.

Eine Ausdrucksform für grenzwertige Kompensationsfähigkeit ist zum Beispiel der Schmerz als Warnsignal, wobei die Schmerzlokalisation allermeist nicht gleichzeitig Ort der Ursache bedeutet. Die Suche nach den Zusammenhängen zwischen Auswirkung und Ursachen ist eine Domäne der Manuellen Integrationstherapie. Die "andere Seite" der Signalisierung von grenzwertiger Kompensationsfähigkeit kann sich in Bewegungseinschränkung, Körperhaltung, Ausdruck, seelischem Befinden, Reaktionsfähigkeit, Vigilanz, Sensibilität, Sensitivität usw. äussern.

Während der Behandlung findet eine Re-Integration der irritierten Struktur in die Gesamtdynamik und Gesamtfunktionalität statt. Dieser Vorgang ist bei jedem Patienten unterschiedlich intensiv ausgeprägt. Durch diese Re-Integration wird dem Körper größerer Spielraum seiner natürlichen Reaktionsmöglichkeiten auf Belastungen gegeben. Unter Belastung verstehe ich hier im weitesten Sinne alles, was auf den Körper in seiner Ganzheit von außen und innen einwirkt.
Mit der Verbesserung der Reaktionsfähigkeit von Funktionen im Körper (psychisch/physisch) wird auch die Fähigkeit zur Kompensation erhöht.
Da strukturelles und nicht-strukturelles „Verhalten“ des Körpers direkt und miteinander geschehen ändert sich bei vorwiegend strukturellen Therapieimpulsen die nicht-strukturelle Situation ebenso wie im umgekehrten Fall. Auf den Unterschied zwischen strukturell und nicht-strukturell wird im Verlauf noch eingegangen.


Als spezielle Gruppe möchte ich hier die Patienten mit Autoaggressionserkrankungen oder Malignomen hervorheben. Man kann mit der Manuellen Integration nicht das Malignom und wohl auch nicht den „Dekompensationsstatus“ einer Kollagenose behandeln. Ich meine damit, bei derartigen Erkrankungen ist der Pathomechanismus so sehr separiert von der Kompensationsfähgkeit oder Korrekturfähigkeit des Körpers, daß die Einflussnahme auf die Selbstheilungskräfte allermeist nicht mehr ausreicht, um heilende Prozesse in Gang zu bringen. Ausnahmen gibt es, das wissen wir.  Aber manche  Auswirkungen derartiger Diagnosen, z.B. die Belastungen der therapeutischen Maßnahmen, die sich ja auch im Körper manifestieren, können mit der Manuellen Integration dahingehend verändert werden, dass der Patient Erleichterung und Verbesserung seiner Lebensqualität verspürt.

Die Abwesenheit von Angst, bzw. die Erhöhung der "gefühlten Sicherheit" ist ein wesentliches Element der Genesung.

Gefühlte Sicherheit kann z.B. durch eine Integrierte Versorgung verbessert werden. Das sind Umstände, die von aussen dem Patienten dargeboten werden. Stabilisierte gefühlte Sicherheit kann jedoch erst dann eintreten, wenn der Patient zu seinem Problem Zugang erhält. Das bedeutet, der Patient wird sowohl mit dem strukturellen als auch mit dem nicht-strukturellen Anteil seines Problems vertraut. Es kommen bei derart bedrohlichen Erkrankungen oftmals plötzlich Lebensfragen auf, die meist eine längere Historie als Hintergrund haben. Häufig ist es dem Patienten gar nicht möglich, zu spüren und zu erkennen, was ihn bewegt oder belastet. Es sitzt wie ein „irgendwo innen drinnen“ und fühlt sich nicht an, aber die Reaktion auf dieses „Etwas“ ist vorhanden, nämlich ein ausweichendes Kompensationsverhalten mit Symptomen und vielen Fragezeichen.
Mit der Manuellen Integration „nimmt man Kontakt“ zu diesen Arealen auf, die sich im Körper als für den erfahrenen Therapeuten spürbares Äquivalent präsentiert, man „kanalisiert“. Es könnte sich hier die Frage erheben, ob man durch diese hier so genannte „Kanalisierung“ nicht „schlafende Hunde“ geweckt werden und eventuell ein unkontrollierbarer Reaktionsprozess oder überhaupt Prozess in Gang gesetzt wird, der dem Patienten schadet. Die Behandlung mit Manueller Integration erfolgt eher sanft, reflektierend und nicht mit pauschalen Techniken. Dabei wird in kleinen Schritten vorgegangen, auf die Reaktion gewartet und das geöffnete (dynamisierte) Areal in die gesunde dynamische Gesamtstruktur integriert.
Zudem wird durch Annäherung und mit Rücksichtnahme auf die aktuellen individuellen Möglichkeiten des Patienten eine Veränderung induziert, die immer das aktuelle Befinden des Patienten als Bezugspunkt für weitere Schritte einbezieht.
Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, analytisch im Sinne einer Gesprächstherapie vorzugehen. Alleine die Tatsache des Zugänglichmachens zur blockierten Struktur nimmt Stress aus dem Körper und führt zu größeren Freiräumen. Im Blickpunkt steht der Wunsch des Patienten, bestimmte Ziele anzustreben. Auf diesem Wusch baut sich die Gestaltung des Therapieablaufs auf. Selbstverständlich ist es von großem Nutzen, wenn Techniken zur verbalen Bearbeitung aufkommender Themen bereitstehen. Diese Möglichkeit besteht bei der Manuellen Integration, ist aber nur dann indiziert, wenn der Patient dies von sich aus wünscht.
Es ist die Prozessarbeit, welche in kleinen Schritten successive zur Verbesserung führt. Nach jeder Therapiesitzung kommt es zu einer Adaptation des Körpers „in seiner Ganzheit“ auf die veränderte Dynamik und Funktion der behandelten Struktur. Deshalb sind in derartigen Fällen Intervalle zwischen den Behandlungen erforderlich.
Die Intervalle zwischen den Behandlungen sind individuell und können sich verändern.
Fälle, in denen kurz aufeinander folgende Behandlungstermine angebracht sind, betreffen überwiegend akute Probleme oder aber Exacerbationen chronischer Verlaufsformen.
Die Erfahrung, dass bei bestimmten Problemen die gleichzeitige Behandlung von greifbaren (strukturell) und nichtgreifbaren (nicht-strukturell), von anatomischen und mental/kognitiv/emotionellen Strukturen äußerst wirkungsvoll ist, zeigt sich in den positiven Veränderungen bei sogenannten „austherapierten“ Fällen. Siehe Fallbeispiele.

Meiner Erkenntnis nach gibt es individuell fließende Dominanzen zwischen überwiegend strukturellen Phänomenen oder überwiegend nichtstrukturellen Phänomenen. Fließende Dominanzen bedeutet, daß die im Vordergrund stehenden Phänomene wie Schmerzen z.B. hinter einer erhöhten Aggressivität zurücktreten können und in anderen Situationen wieder erscheinen.
Überwiegend strukturelle Phänomene als Problem des Patienten sind jene, die vom Patienten lokalisierbar sind.
Der Patient kann genau zeigen, wo er sein Problem hat und wie es sich anfühlt. Nicht strukturelle Phänomene drücken sich diffuser aus, z.B. als Befindlichkeitsstörung, ein in der Tiefe sitzendes Empfinden, eine als unangenehm wahrgenommene Stimmungslage, als eingeschränkt bezeichnete Lebensqualität ohne konkretes Beschwerdebild.
Sowohl strukturelle Probleme als auch nicht strukturelle Probleme haben ihr begleitendes Korrelat im jeweilig anderen, d.h. ein strukturelles Problem beinhaltet gleichzeitig Elemente des Nichtstrukturellen und umgekehrt.
Was spürbar ist, ist nicht immer bedeutsam, es ist vielmehr die bevorzugte Ausdrucksform eines Problems unseres Körpers oder die vom Gegenüber (Personen im Umfeld, Arzt) wahrgenommenen Signale. Nun mag man sagen, dass es nicht gerade einleuchtend erscheint, eine Schnittverletzung oder ein Knochenbruch könnte eine strukturelle Ausdrucksform eines nichtstrukturellen Problems sein. Es klingt in der Tat etwas abstrus. Doch versucht man die Wechselwirkungen oder besser gesagt die interne Dynamik zwischen der Nichtstrukturellen Potenz und der strukturellen Potenz und der jeweilig entgegengesetzt darin enthaltenen umgekehrten Potenz nachzufühlen, so kommen Zweifel auf, ob es nicht doch eine Art Addition des Plus und Minus oder des Pols und Gegenpols gibt, die dann letztlich in der „Endsumme“ einen entweder strukturellen oder nichtstrukturellen Phänotypus präsentiert.

Dass häufig bei struktureller Therapiearbeit keine eindeutig erkennbare nichtstrukturelle Therapiereaktion erkennbar ist, kann meiner Erfahrung und Erkenntnis nach an folgenden Punkten liegen:

- Die Therapie fand nicht nahe genug (im Sinne von Rekationsketten) an der Ursache statt
- Der Patient blockiert aufgrund mehrerer Problemherde oder übergeordneten Schutzfunktionen
- Der Therapeut kann die Reaktion nicht erkennen/erspüren oder zuordnen

Die Erfahrung mit Manueller Integration zeigt, dass immer Reaktionen auf der gesamten Ebene, besser gesagt Raum (d.h. strukturell und nicht strukturell), stattfindet.
Bei komplexeren und tiefer sitzenden Problemen, also bei Problemen die eine längere Entwicklungsgeschichte oder eine vielschichtige Verknüpfung beinhalten, ist deshalb ein längerer Therapieprozess zu erwarten, weil
- in biologischen Systemen alle Funktionen über fließend miteinander verkoppelt sind. Um eine funktionsfähige Stabilität zu erhalten, bedient sich die Biologie der Puffermechanismen. Den Begriff Puffer gibt es in der Biochemie als chemisches Substrat (molekulare Struktur). Man kann es aber auch als Kompensationsfähigkeit bezeichnen. Dadurch bedingt kommt es logischerweise zu Verzögerungseffekten zwischen auslösendem Reiz und der Auswirkung auf das biologische System. Dies sei nicht zu verwechseln mit der Sofortreaktion bei lebensnotwendigen Schutzfunktionen (phylogenetische Automatismen). Je länger und häufiger ungünstige Reize auf ein biologisches System einwirken, um so geringer wird das Kompensationspotential und um so mehr weitet sich dieser Reiz auf mehrere Strukturen und Funktionen aus.
- Andere „Herde“ mit Blockaden können Auflösungsprozesse von therapierten Blockaden im Regenerationsprozess behindern.

Was bedeuten diese Ausführungen nun in der Praxis?

Praktische Bedeutung der Wirkungsweise

Aufgrund oben angeführter Erfahrungen ist ableitbar, dass bei 

Operationen und AHB 

- postoperative Heilungsprozesse bei gleicher Akutproblematik unterschiedlich verlaufen

- rezidivierende Beschwerden nach OP und AHB die Notwendigkeit und Dauer einer späteren Reha-Maßnahme erhöhen

 - eine postoperative Behandlung mit Manueller Integration den Heilungsverlauf beeinflussen und zu einer rascheren und  umfassenderen recovery führen kann

- präoperative Untersuchungen und Vorbehandlung mit Manueller Integration Einfluss auf den Heilungsverlauf haben könnten.

Chronischen Erkrankungen oder rezidivierenden gesundheitlichen Problemen      

 - eine begleitende Behandlung mit manueller Integration das Potential des Körpers, sich zu stabilisieren erhöht werden kann 

- die behandelten Strukturen eine bessere Kompensationsfähgikeit besitzen und somit auch wieder belastbarer werden  

- der Einsatz von Medikamenten reduzuiert werden könnte

- die psychische Situation des Patienten sich verbessert und somit eine höhere Lebensqualität erreicht wird

weitere Informationen folgen